Vierfeld-Illustration: Hochgeschwindigkeitszug, Reaktor, Supercomputer/Industrie-Symbol und Wind-/Wasserkraftanlage; zentrales Banner „GROSSPROJEKTE AUFGELEGT“.Bündel von Milliarden-Ausschreibungen für Hochgeschwindigkeitszüge, Reaktoren, Forschungseinrichtungen sowie Wind- und Wasserkraft.

Andro/Koskow – Auf einer Sammelseite mit öffentlichen Ausschreibungen wurden mehrere umfangreiche Projekte veröffentlicht, die die Industriepolitik des Landes für die kommenden Jahre prägen dürften. Verkehrs- und Energiewerte, Bildungs- und Forschungsinvestitionen sowie die Serienfertigung von Reaktoren stehen im Mittelpunkt.

Auf einer öffentlichen Foren- und Ausschreibungsseite (andro.mnprojekte.net) sind zuletzt mehrere offizielle Vergabevermerke erschienen, die in ihrer Summe einen umfangreichen Modernisierungs- und Ausbauplan erkennen lassen. Die vier größten Pakete betreffen Hochgeschwindigkeitszüge, die Serienproduktion eines Reaktortyps, umfangreiche Ausstattungen für Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie Großprojekte in Wind- und Wasserkraft. Zusammengenommen beläuft sich das aufgerufene Volumen auf mehrere hundert Milliarden US-Dollar [versteht sich als rl-Referenz].

Die Ausschreibungen sind untereinander klar aufeinander abgestimmt und folgen dem erklärten Ziel, inländische Wertschöpfung zu stärken: Bei zentralen Losen ist ein lokaler Anteil von mindestens 50 Prozent vorgeschrieben. Zugleich enthalten die Vergabeunterlagen strikte Vorgaben zu Qualitäts- und Sicherheitsstandards sowie zu Liefer- und Zeitplänen.

Verkehr: 400 Hochgeschwindigkeitszüge mitten im Ausbauprogramm

Im Verkehrsbereich werden Angebote für insgesamt 400 Hochgeschwindigkeitszüge verlangt, aufgeteilt in 300 Personenzüge mit einer geplanten Höchstgeschwindigkeit von mindestens 350 km/h und 100 Güterzüge, die bis zu 180 km/h erreichen sollen. Das dafür veranschlagte Budget liegt nach den Unterlagen bei rund 220 Milliarden US-Dollar.

Technische Vorgaben betreffen Energieeffizienz, Kompatibilität mit einem landeseigenen Zugbeeinflussungssystem sowie eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren. Auffällig ist die Erwartung hoher lokaler Fertigungsteile und die Forderung nach strengen Energieverbrauchskennwerten pro Sitzplatz. Sowohl die Beschaffungs- als auch die Lieferfristen sind eng getaktet und sehen Präqualifikationen und Vergabeentscheidungen innerhalb weniger Monate vor.

Kerntechnik: Serienfertigung eines Reaktortyps mit Exportrestriktionen

Besondere Aufmerksamkeit zieht ein Los zur Serienfertigung eines Reaktortyps auf sich, in den Unterlagen als „Severoshlem-III ‚Zarja‘“ bezeichnet. Ziel ist demnach eine Produktion von zwei Reaktor-Einheiten pro Jahr, mit einer Option zur Steigerung. Die Vergabekriterien umfassen die komplette Fertigung von Kernbauteilen sowie Turbinen und Balance-of-Plant-Module; Lieferanten müssen über eine inländische Fertigungslizenz verfügen.

Die Ausschreibung legt strikte Bedingungen zur Nicht-Weitergabe von Technologie fest: Exporte sollen nur mit ausdrücklicher Genehmigung möglich sein; zudem sind Qualitäts- und Prüfanforderungen (u. a. zerstörungsfreie Prüfverfahren) verbindlich. Bewertet wird die Eignung der Bieter über ein punktiertes System, das technischen Nachweis, Total Cost of Ownership, Lieferzeiten und lokale Partnerschaften gewichtet.

Bildung & Forschung: Supercomputer, Reinräume, Ausbildungszentren

Ein drittes Paket umfasst die Ausstattung von Hochschulen, Forschungsinstituten und Berufsausbildungszentren. Vorgesehen sind unter anderem Supercomputing-Kapazitäten, Reinraumtechnik, Robotik- und Materialprüfanlagen sowie die Ausstattung von bis zu 1.000 beruflichen Ausbildungsstätten. Das Volumen hierfür wird in den Unterlagen mit rund 95 Milliarden US-Dollar beziffert.

Die Maßnahme verfolgt demnach das Ziel, das Forschungssystem technologisch hochzufahren und zugleich die Fachkräftebasis durch praxisnahe Berufsausbildung zu erweitern. Vorgeschriebene Lebensdauern der Ausstattung und verpflichtende Service- und Wartungsverträge unterstreichen das Bestreben, längerfristige Betriebsfähigkeit sicherzustellen.

Energie: Gigawattprogramme für Wind und Wasser

Das größte Einzelvolumen entfällt auf Energieprojekte: In einem Paket werden 50 GW Onshore- und 30 GW Offshore-Wind sowie Modernisierungen bestehender Wasserkraftwerke mit insgesamt rund 40 GW Leistung angefragt. Allein für Wind- und Wasserkraft sind in den Vergabunterlagen circa 250 Milliarden US-Dollar eingeplant.

Technische Auflagen umfassen internationale Normen, Smart-Grid-Integration und spezielle Anforderungen für arktische Offshore-Einsätze (z. B. Vereisungsschutz). Für Wasserkraft werden Effizienzsteigerungen und ökologische Minderungsmaßnahmen wie Fischpässe verlangt.

Wirtschaftliche und politische Bedeutung und offene Fragen

Die Bündelung dieser Ausschreibungen zeigt eine klare Prioritätensetzung: Industriepolitik, Energie-Unabhängigkeit und technologische Aufrüstung stehen im Vordergrund. Die explizite Forderung nach hoher lokaler Wertschöpfung zielt auf die Stärkung inländischer Fertigungskapazitäten und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Gleichzeitig werfen solche Großprogramme Fragen auf: Kann die in den Vergaben geforderte lokale Fertigungskapazität kurzfristig aufgebaut werden? Wie lassen sich komplexe Lieferketten, von Halbleitern über Spezialmetalle bis zu Turbinenkomponenten, verlässlich bedienen? Und welche Umweltrisiken und gesellschaftlichen Auswirkungen sind bei der Modernisierung von Wasserkraftinfrastruktur zu berücksichtigen?

Besondere Sensibilität verlangt die Reaktorserie: Sicherheits-, Zulassungs- und Exportbedingungen sind in den Dokumenten zwar ausführlich geregelt, doch die praktische Umsetzung hoher Sicherheitsstandards bei Serienfertigung von Kernkomponenten stellt Hersteller und Aufsichtsbehörden vor erhebliche Herausforderungen.

Termine und Beteiligung

Die Fristen in den veröffentlichten Vergabeunterlagen sehen für viele Ausschreibungen eine Angebotsfrist Ende September vor; die Präqualifikations- und Vergabeprozesse sollen in den unmittelbar folgenden Monaten abgeschlossen werden. Internationale Anbieter werden teilweise ausdrücklich zugelassen, müssen jedoch die inländischen Zulassungs- und Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Für Unternehmen und Investoren bedeuten die Bekanntmachungen eine Chance — zugleich aber auch die Notwendigkeit, Produktions-, Compliance- und Lieferkonzepte schnell nachzuweisen.


Die vollständigen Texte der Ausschreibungen sind auf der angegebenen Vergabeseite einsehbar. Die kommenden Monate werden zeigen, wie zügig staatliche Auftraggeber und Industriepartner die ambitionierten Pläne in konkrete Aufträge, Baustellen und Fabrikfenster übersetzen können.

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Von tvAndro

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