Es gehört zu den Eigenheiten unserer Zeit, dass Fortschritt nicht immer von Freiheit begleitet wird. Am heutigen Tag sendete die Freie Irkanische Republik ein ungewöhnliches Signal in die Welt: keine Truppen in den Straßen, keine neuen Verhaftungswellen, stattdessen Tee in Bahnhöfen, Poster mit sanften Parolen und eine leise, fast intime Fernsehansprache ihrer Regierungschefin, Marschallin Alrun Amalbalde.

Irkanien, ein Staat, mit dem uns in Naugard wenig verbindet, weder ideologisch, politisch noch historisch. Und doch: Es wäre unredlich, die Ereignisse des Tages rein durch das Prisma geopolitischer Differenz zu betrachten.

Die Rede der Marschallin war kein technokratischer Erlass. Es war das öffentliche Bekenntnis einer Frau, die als neurodivergente, bisexuelle Person in einem System an der Spitze steht, das traditionell für Kontrolle, Strenge und Ordnung bekannt ist. Ihre Worte galten nicht der Macht, sondern der Würde. Nicht der Nation, sondern dem Menschen.

„Ich werde mich nicht entschuldigen, weil ich existiere. Und niemand sonst soll das müssen.“
– Alrun Amalbalde

In einem System wie dem irkanischen ist eine solche Aussage mehr als Symbolik. Sie ist eine Bruchstelle. Und vielleicht, so kann man hoffen, ein Anfang.

Natürlich bleiben Zweifel. Die Rede war eingebettet in ein Netz von Strukturwörtern: „Integritätsabgleich“, „Sicherungsfeldpflege“, „Strukturberuhigung“. Die Republik bleibt das, was sie ist: kontrolliert, durchorganisiert, streng. Viele, die heute nicht zu Wort kamen, werden es vermutlich auch morgen nicht dürfen.

Aber die Fortschritte bei der Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt, der Schutz queerer Jugendlicher und die klare Ablehnung religiöser Dogmatik als politische Grundlage sind real. Sie mögen aus einem autoritären Reflex entstanden sein, doch sie schützen heute jene, die anderswo noch kämpfen müssen.

Unsere Position als Republik Naugard bleibt klar: Wir stehen für offene Gesellschaften, freie Debatte und politische Teilhabe. Diese Werte sehen wir in Irkanien nicht verwirklicht. Und doch erkennen wir an: Gleichstellung ist nicht Eigentum liberaler Demokratien. Sie kann auch in Systemen Wurzeln schlagen, deren Struktur wir ablehnen.

Was wir heute sahen, war ein Moment der Würde. Nicht für ein System sondern für jene, die es sonst zu oft nur ertragen müssen.

Schreibe einen Kommentar